Von der Liebe

( Frei nach Motiven des Gedichtes „Was es ist“ von Erich Fried)

 

 

 

Sie kam wie aus dem Nichts in ihr kleines, beschauliches Dorf. Plötzlich war sie da, mitten auf dem Dorfplatz, in ihren weiten, weißen, wallenden Gewändern. Sie setzte sich an den Rand des Brunnens und lud die Menschen ein, ihren Geschichten von der Liebe zu lauschen.

Schnell verzauberte sie damit die Herzen derer, die sich darauf einließen. Aber schon bald kamen auch Menschen, denen sie aus den unterschiedlichsten Gründen ein Dorn im Auge war und die nun mit ihr ins Gericht gingen. 

Eine etwas gebückte Frau machte sich bemerkbar:

„Ich kenne sie. Sie war vor langer Zeit einmal Gast in meinem Haus. Doch als sie ging, hat sie unsägliches Leid hinterlassen. Sie bereitet nur Schmerz bis tief ins Herz."

Ein Mann trat hinzu: „Seid vernünftig Leute, Sie ist nichts weiter als eine schöne Illusion, die kurzzeitig eure Sinne benebelt, und auf die bald das böse Erwachen folgt.“

„Nicht nur das“, keifte eine andre Frau, „Sie ist eine Blenderin. Wer sich auf sie einlässt, wird alles verlieren.“ 

Ermutigt durch ihre Vorredner, meldete sich eine ältere Frau zu Wort:

"Ich habe schon einige Lebenserfahrung hinter mir und bin zu der Einsicht gelangt, dass das, was Sie begehrt, ein mutiges, aber aussichtloses Unterfangen ist. Über kurz oder lang endet die Zweisamkeit mit ihr auf die eine oder andere Weise tragisch. Wer ihr vertraut ist zum Scheitern verurteilt. Alles Mühen, alles Bestreben wird letztendlich umsonst gewesen sein.“

Ein Herr, mit einem stolz nach vorne gereckten Kinn, nahm nun das Wort:

„Schaut sie euch doch an, wie Sie sich präsentiert, einfach nur lächerlich. Sie sitzt hier in ihren schneeweißen Gewändern und schaut, als ob kein Wässerchen sie trüben könnte. Diese getarnte Unschuld macht sie so gefährlich.“

Eine letzte Stimme mahnte zur Vorsicht:

„Die Verletzungsgefahr ist viel zu groß, als dass ich mich ihr noch einmal aussetzen werde. Meine Wunden vom letzten Mal sind immer noch nicht ganz verheilt. Seht her, die Narben, die durch sie mir zugefügt.“

Sie schaute die Liebe an und stellte ihr mit einem herausfordernden Blick die Frage:

„Was weißt du nun zu deiner Verteidigung zu sagen?“

Und die Liebe erwiderte mit einem zärtlichen Blick:  „Ich bin die, die ich bin, alles andere ist das, was ihr aus mir macht“

Danach gingen die Menschen sichtlich betroffen ihrer Wege und ein jeder hing dabei seinen Gedanken nach.